Anker in der Infoflut
Vertrauen ist der Kitt einer jeden Form gesellschaftlichen Zusammenlebens. Ein Spiegel unserer Erfahrungen und zugleich ein Vorschuss, den wir immer wieder gewähren müssen, um soziale Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen.
In unserer heutigen ausdifferenzierten Gesellschaft floriert das „Touch and Go“. Eine Entwicklung, die sich in der Konsum- und Geschäftswelt z.B. im hybriden Kunden manifestiert. Sein Background: Auswahl im Überfluss, ein Klick und die Konkurrenz lockt mit noch besseren Angeboten, aber auch gebrochene Markenversprechen, Produktionsskandale, leere Werbebotschaften – schöne Worte, nichts dahinter.
Im grassierenden Vertrauensverlust rangiert die Kommunikationsbranche weit hinten. Nach der aktuellen GfK-Studie „Trust in Professions 2014“ , die in 25 Ländern durchgeführt wurde, belegen in Deutschland folgende Berufsgruppen die untersten Ränge:
- Politiker bilden mit 15 Prozent das Schlusslicht;
- Versicherungsvertreter kommen auf kontraproduktive 19 Prozent und
- Werber auf bescheidene 27 Prozent.
Unternehmen schenkt jeder Zweite sein Vertrauen.
Der Wahrheitssinn
Die Macht der visuellen Kommunikation liegt in der Wahrnehmungsebene. Dort prüfen wir unser Umfeld in erster Linie mit den Augen, denn auf diesem Sinneskanal empfangen wir mit rund 10 Millionen Lichtreizen pro Sekunde die meisten Informationen. Wir verlassen uns sehr auf den Augenschein, obwohl wir wissen, dass er trügen kann.
Ein gewichtiger Grund, warum wir unseren Tastsinn zu Rate ziehen, sobald wir auf Nummer Sicher gehen wollen. Augen und Hände bilden ein Sinnes-Duo, das sich gegenseitig hilft und verstärkt. Dabei sind die Eindrücke des Tastsinns die entscheidende Wahrheitsinstanz.
Was wir über unsere berührungsempfindlichen Sensoren wahrnehmen, ist auch wahr. Wie der Haptikforscher Prof. Martin Grunwald ausführt: Nur das ganzkörperliche Tastsinnsystem “kann uns unmittelbar versichern, dass wir da sind und die Welt außerhalb unseres Organismus’ ebenso. Sobald Menschen unsicher sind, wollen sie die Dinge anfassen. Ab einer bestimmten Preisklasse kommt der Mensch gar nicht umhin, die Dinge zu berühren.“
Nichts ist glaubwürdiger als die Botschaften unserer Hände. Der Tastsinn überzeugt. Intuitiv und blitzschnell. Jede Berührung berührt uns. Ruft unbewusst haptische Codes wach, die wir zu einem großen Teil schon in unserer Kindheit lernen: kuschelig, hart, heiß, kühl, rau, rund, spitz … greifbare Eigenschaften, die mit spezifischen Gefühlen und übertragener Bedeutung verknüpft sind.
Haptischer Wirkungsradius
Wie unbewusst uns haptische Codes beeinflussen, zeigen diverse Studien. Ein prägnantes Beispiel: der Code „Wärme“. Entstanden aus einer körperlichen Erfahrung entwickelt er sich zu einem abstrakten Konzept, z.B. verbunden mit der Bedeutungsdimension „netter Mensch“, die auch dann wachgerufen wird, wenn wir rein zufällig ein Wärme spendendes Objekt in Händen halten.
Bei einer Undercover-Studie zum Thema sensory marketing wurden den Probanden entweder eine heiße Tasse Kaffee oder ein Eiskaffee serviert. Im Anschluss wurde die angebliche Testaufgabe gestellt: Menschen via Foto beurteilen.
Die Teilnehmer mit dem heißen Kaffee stuften die Portraitierten als großzügiger und hilfsbereiter ein als die Vergleichsprobanden mit dem kühlen Getränk. Auf dem kontinuierlich mitlaufenden Hirnscanner leuchtete bei der physischen Erfahrung das gleiche Hirnareal auf wie bei der sozialen Charakterisierung.
Das einzige Werbemedium, das mit dem ganzen Potenzial haptischer Qualitäten überzeugen kann, ist der gegenständliche Werbeartikel. Denn er trägt implizit Botschaften in Hände und Fingerspitzen, wirft einen Anker in der zusehends entsinnlichten und abstrakter werdenden Kommunikationswelt, macht fassbar und glaubhaft, was sonst abstrakt bliebe. Was wir ergreifen, ergreift uns – in mehr als einem Sinn.
Quelle:
Meyer, Susanna: Produkthaptik. Messung, Gestaltung und Wirkung aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht. Verlag Dr. Th. Gabler und Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2001.