Die Queen, Bundespräsident Gauck und das Pferd
Auweia! Es muss ja nicht gleich ein Mercedes-Sportcoupé 450 SL sein, mit dem unser damaliger Bundeskanzler Willy Brandt 1973 den damaligen Generalsekretär der sowjetische KPdSU, Leonid Breschnjew, bei seinem Deutschland-Besuch als Gastgeschenk beglückte.
Aber was sich die Entourage um unseren Bundespräsidenten Joachim Gauck für die Queen ausgedacht hat, hat sich völlig zu Recht – und übrigens auch vorhersehbar – zu einem veritablen PR-Desaster ausgewachsen. Schnell und unaufhaltsam. Diesseits und jenseits des Kanals kommentierte die Presse fassungslos und peinlich berührt.
Und beileibe nicht nur der Boulevard und die Yellow Press. Mitnichten: der gesamte Blätterwald rauschte und hallt immer noch nach: Hierzulande schlagzeilten u.a. Spiegel, Süddeutsche, FAZ und Welt. Der einhellige Tenor: Fremdschämen. Geht’s noch? Kann Deutschland nicht mehr Geschenkkultur?
“Akward” fand es die britische Presse. Und die Queen, sichtlich “not amused”, rang um Fassung. Prince Philipp würzte die Szene mit seinem berühmten Sarkasmus – Loriot und Moty Python lassen grüßen.
Was war passiert? Unser Bundespräsident hatte dem britischen Staatsoberhaupt ein Gemälde als Gastgeschenk zugedacht. Ein Perdemotiv nach einer Foto-Vorlage von 1930, das die Queen als Kind auf einem Pony reitend zeigte. Am Zügel geführt wird das Pony von König George VI., ihrem Vater – dachten sich zumindest die Urheber dieser Idee. Der spätere George VI. war zu diesem Zeitpunkt aber lediglich Prinz Albert (“Bertie”), der Herzog von York. Zum gekrönten Haupt wurde er erst außerplanmäßig 1936.
Doch die sichtlich um Fassung ringende Queen haderte mit der Wiedererkennbarkeit ihres Vaters und fand auch sonst das Gemälde etwas gewöhnungsbedürftig.
Da nehmen sich die Begleitpeinlichkeiten wie die Touristen-Barkasse mit den abgewetzten Holzsitzen für die Spreefahrt sowie der kredenzte Billigwein neben anderen Fettnäpfen noch eher milde aus. Erwähnenswert sind sie dennoch, passen sie doch ins Bild eine missglückten Inszenierung von Geschenkkultur und Gastfreundschaft – Loriot und Monty Python lassen grüßen.
Ein Geschenk ist wie ein Werbeartikel
Die positiven Emotionen, die ein als ästhetisch oder auch sinnvoll empfundenes Geschenk-Objekt auslöst, beginnen bereits beim ersten Blickkontakt, der Begehrlichkeit auslöst.
Eine Parallele zum Werbeartikel und dessen komplexen Wirkungsradius:
“Bei der Überreichung – Gefallen beim Empfänger vorausgesetzt – kulminieren die freigesetzten Glückshormone, nicht zuletzt in Dankbarkeit, verbunden mit dem Impuls, dem Überreichenden oder Absender etwas zurückzugeben: zumindest Aufmerksamkeit für seine Werbebotschaft.”
Und hier warb der deutsche Bundespräsident für Deutschland und Europa – und auch implizit für den Verbleib der Briten in der krisengebeutelten EU.
Joachim Gauck tat dies auf eher unglückliche Art, die das Klischee des rumpelnden Teutonen unnötig bediente. Begehrlichkeiten und Glückshormone? Das war bei der Queen augenscheinlich nicht der Fall. Sie wird sicher keine falschen Schlüsse aus ihrem Besuch ziehen. Schließlich stehen da ja auch viele geglückte Begegnungen und Momente zu Buche.
Aber die grundlegende Etikette der Geschenkkultur müssen wir noch einmal üben. So oft verirrt sich schließlich kein gekröntes Haupt von der Insel an die Spree.
Das nächste Mal ist es vielleicht der Prince of Wales, Charles, in Begleitung seiner Camilla.
Das Kulturgut Werbegeschenk
Wer immer dann Deutschlands oberster Repräsentant sein wird, möge aus dem Fettnapf-Rennen von Joachim Gauck um die Gunst der Queen seine Lehren ziehen und sich etwas näher mit dem Kulturgut Geschenk beschäftigen.
Schließlich wirkt ein durchdacht gewähltes Geschenk wie ein Werbeartikel. Er ist Botschafter des Absenders und stiftet Vertrauen wie auch Verbindung.
Ein positiv aufgeladenes Souvenir, das immer wieder gern zur Hand genommen und/oder betrachtet wird.
Aber vielleicht ist die Zeit ja auch bald einmal reif für eine Bundespräsidentin? Nicht von ungefähr dürfen wir dann etwas mehr Fingerspitzengefühl erwarten. Nicht zuletzt auch in den – vielleicht manchmal vorschnell als lästige Pflichtveranstaltung abgetanen – Gefilden der Geschenkkultur.
Gute Geschenke sind wie gute Werbeartikel – auch auf höchstem protokollarischen Parkett.