Briefkastenfirmen und Compliance
“Was denn?”, mag so mancher bei dieser Überschrift denken. Was haben Werbeartikel mit dubiosen Geschäftspraktiken zu tun?
Nun, zunächst einmal nicht viel. Der Skandal um das größte “Datenleck” der Geschichte kommt gerade erst so richtig in Fahrt. Es ist ein globaler Krimi, den ein internationales Team von Journalisten mit Hilfe einer speziellen Software aus den zur Verfügung stehenden Datenmengen herausgefiltert und transparent gemacht hat. Unzweifelhaft eine Fortsetzungsgeschichte, wie wir sie schon aus den Vorgängen um Edward Snowden kennen.
Kriminelle aller Schattierungen haben sich in Panama gemeinsam mit Politikern, Sportlern, VIPs, ja sogar staatlichen Institutionen und Wohlfahrtsverbänden via Briefkastenfirmen ein offenbar einträgliches Stelldichein gegeben.
Nun ist der Unterhalt einer Briefkastenfirma für sich genommen noch kein justiziabler Sachverhalt. Doch müssen die Betreiber unangenehme Fragen über sich ergehen lassen. Ganz vorne mit dabei: Woher stammt das Geld? Sind die Quellen möglicherweise illegal? Ist Panama eine riesige illegale Geldwaschmaschine? Und wie ist es um die Steuerehrlichkeit bestellt?
Werbeartikel und Panama Papers
Und genau hier, bei der Frage nach den Geldquellen, sind wir an einer theoretischen Schnittstelle von Werbeartikel und Panama Papers. Schließlich stammen nicht unerhebliche Teile der in Panama geparkten Summen aus gesetzeswidrigen Aktivitäten wie beispielsweise Erpressung, Wettbetrug oder Schmiergeldern respektive Bestechung.
Und beim letzten Stichwort zuckt der aufmerksame Compliance-Officer pflichtschuldigst zusammen. Bestechung? Das geht natürlich auch eine Nummer kleiner als die in Panama gehandelten Beträge. Theoretisch kann jeder von uns hierzulande bereits durch die Annahme eines Werbeartikels im Sinne eines Werbegeschenkes in den Ruch einer illegalen Vorteilsnahme und der Bestechlichkeit geraten.
Aber eben nur theoretisch. Gottlob gibt es nämlich einige wenige Regularien, die man – als Absender wie Empfänger – kennen sollte, um auf unbehelligten Pfaden zu wandeln.
Was sagt das Finanzamt?
Leider hängt der Werbeartikel immer noch im § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG zusammen mit Spesenaufwendungen fest, obwohl er dort gar nicht hingehört. Eine – überfällige – steuerrechtliche Trennung von Werbeausgaben (Werbeartikel) und Geschenkartikeln ist auch nach Jahrzehnten immer noch nicht zustande gekommen.
Der Fiskus trennt bei der steuerlichen Beurteilung von Betriebsausgaben zwischen den Zuwendungen an Geschäftspartner und die eigenen Mitarbeiter. Letztere dürfen pro Kalenderjahr Geschenke vom eigenen Unternehmen bis 60 Euro steuerfrei nach Hause tragen.
Für Geschäftskunden und -Partner ist bis 10 Euro erst einmal alles im Lot.Die Rede ist dann von den so genannten “Streuwerbeartikeln”. Diese dienen dazu, “… eine Vielzahl von Menschen zu erreichen und damit den Bekanntheitsgrad des Unternehmens zu steigern. Wegen der breiten Streuung handelt es sich um Werbemittel, so dass es nicht erforderlich ist, die Namen der Empfänger aufzuzeichnen. Aufwendungen für Streuwerbeartikel bucht der Unternehmer auf das Konto ‘Streuartikel’ “.
Oberhalb der 10 Euro-Schallmauer gilt eine engere Grenzziehung als bei den eigenen Angestellten: Hier sind es 35 Euro pro Nase. Wird der Betrag auch nur knapp nach oben verfehlt, ist es mit der Betriebsausgabe Essig. Dann muss voll versteuert werden.
Wo beginnt das unsichere Terrain?
Der Vorwurf der Bestechlichkeit ist zunächst vom Wert eines Geschenkes und damit von den steuerrechtlichen Regularien entkoppelt. Maßgeblich ist die Möglichkeit, dass zwischen einer Geschenkannahme und einer Vorteilsgewährung ein Zusammenhang vermutet werden kann.
Das gilt natürlich besonders für das Beamtentum und den öffentlichen Dienst. Jenseits dieser Sphären greifen bei den größeren Unternehmen in der Regel Compliance-Regeln.
Allerdings ist gerade zum Stichwort “Compliance” anzumerken, dass sich die deutsche Wirtschaft in einer Art vorauseilendem Gehorsam eine Werbeartikel-Diät bis hin zur Abstinenz (Beispiel Pharmazie) verordnet, die der sachlichen Grundlage entbehrt.
Inzwischen belegen zahlreiche nationale wie auch internationale Studien zum Einsatz von werbeartikeln die tragende Rolle der gegenständlichen Werbung nicht nur in der deutschen Wirtschaft.
So werden Werbeartikel in Deutschland insbesondere für die Markenkommunikation, zur Kundenbindung und für die Produktkommunikation ins Rennen geschickt. Das Gros der eingesetzten Werbeträger liegt dabei unterhalb der fiskalisch relevanten 10 Euro-Grenze. Compliance-Alarm? Wohl kaum.
Alarmierende Signale kommen eher aus einer ganz anderen – für Kommunikationsprofis nicht unerwarteten – Ecke: Im erwähnten Beispiel der Pharma-Industrie, die sich über ihren europäischen Dachverband EFPIA aus einer eher brüchig anmutenden Auslegung von Compliance ein flächendeckendes Einsatzverbot von Werbeartikeln auferlegt hat, hissen viele Pharmarefenten ob fehlender Werbeartikel die weiße Fahne.
Werbeartikel sind Türöffner. Ohne bleiben ihrer viele verschlossen. Die Termine der Referenten in den Arztpraxen schrumpfen, ablesbar an Absatzzahlen vieler Präparate. Vertrieb und Marketing ächzen. Und schon schreiten etliche Pharmarefenten zur Selbsthilfe und ordern ihre Werbeartikel auf eigene Kosten.
Damit der Name ihres Unternehmens und seiner Präparate nicht in der Flut von Novitäten versinkt.