Der Werbeartikel und der Besitzwunsch
Der spontane Impuls, Objekte berühren zu wollen, ist uns schon in die Wiege gelegt. Erste Regungen des Tastsinns werden im Mutterleib bereits ab der achten Schwangerschaftswoche beobachtet. Ab dem vierten Monat setzt beim Fötus der Bewegungsdrang ein, er streckt sich, greift ins Leere oder zur Nabelschnur und nuckelt ausgiebig an seinem Däumchen. Wie die Wissenschaftler vermuten: einerseits, weil’s Freude macht und zum anderen als Vorübung, die Welt mit eigenen Händen zu erkunden.
Denn der neue Erdenbürger erobert sich die Welt zunächst unter Einsatz aller Tastinstrumente: Mund und Zunge, Hände und Füße sind im Dauereinsatz, um externe Objekte und die eigene Körperlichkeit zu begreifen. Schon im Alter von fünf bis neun Monaten können die Babys Texturen unterscheiden und streicheln Materialien, die wohliges taktiles Feedback geben.
Die Berührung zum Vergnügen – von den Forschern auf Autotelic Touch – getauft, meldet sich zuerst. Ab dem achten, neunten Monat entwickelt sich die Fähigkeit des funktionellen Berührens: Das Kleinkind drückt Tasten, die Sound spendieren, türmt unterschiedlich große Plastikbausteine zu Türmen auf und löst sein erstes Makro-Puzzle.
Sukzessive entsteht aus mechanischem Tasten intelligentes Be-Greifen, mit dem die Kinder Wissen über die Dinge, ihre Eigenschaften und Funktionen sammeln.
Der Berührungsdrang des Nachwuchses wird im Sozialisationsprozess allerdings Stück für Stück gezähmt. Der Aufforderung, nicht alles in den Mund zu nehmen, folgt alsbald die Mahnung, nicht immer alles anzufassen.
Das mindert jedoch nicht die Lust an der Berührung – häufig scheint das Gegenteil der Fall zu sein! Sie begleitet uns ebenso durch das Leben wie die Tatsache, dass wir neue Objekte und insbesondere die Qualitäten der Dinge auch als Erwachsene vorzugsweise mit der Hand erforschen.
Der entscheidende Einfluss von Fühltests
Auch die Haptikforscher unterstreichen, dass der Tastsinn zugleich Qualitätsprüfer und Wohlfühl-Thermometer ist. Sobald es um die Frage nach Echtheit geht, sind die Hände im Einsatz. Denn sie machen real spürbar, was die Fernsinne nur verheißen können.
Wie Studien zeigen, ist das Berührungsbedürfnis bei erwachsenen Menschen jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt. Als Pionierin in diesem Bereich entwickelte die Marketingprofessorin Joann Peck, University of Wisconsin, eine Need for Touch Skala.
Pecks Fazit nach diversen Untersuchungen: Menschen mit einem hohen NFT brauchen Berührungen, um die Qualität eines Produktes zu prüfen. Gleichzeitig schenkt ihnen das haptische Erlebnis Freude. Als Kundentypus neigen sie zu Lust- bzw. Spontaneinkäufen.
Die Informationen, die nur der Tastsinn geben kann, beeinflussen allerdings auch Menschen mit einem niedrigen NFT. Denn auch sie haben von Kindesbeinen an gelernt: Was sich gut anfühlt, ist auch gut!
Eines von diversen Studien-Beispielen: In einer Undercover-Studien bewerteten die TeilnehmerInnen das gleiche Wasser als qualitativ hochwertiger, wenn es in einer stabilen PET- statt in einer dünnwandigen Plastikflasche gereicht wurde. Die hochwertige Haptik führte zudem zu einer höheren Zahlungsbereitschaft.
Der Werbeartikel und der Besitzwunsch
Als weiterer Motivationsfaktor schließt sich der psychologisch tief verankerte Besitzwunsch an, der schon beim Anblick nützlicher Dinge ausgelöst und bei der ersten Berührung noch gesteigert wird. Dieser Mechanismus führt parallel zu einer höheren Wertschätzung des Objektes, bezeichnet als Endowment-Effect.
Testobjekt diverser Studien war beispielsweise ein Kaffeebecher. Das übereinstimmende Ergebnis: Je länger die Probanden das Trinkgefäß in Händen gehalten hatten, desto höher wurde sein Wert beziffert. Schon nach zehn Sekunden kletterte der als adäquat angesehene Preis um 30 Prozent, 30 Sekunden später bereits um 60 Prozent.
Schlüsselerkenntnis für Verkauf und Marketing: Was wir berühren können, aktiviert unbewusst Besitz- und damit Kaufwünsche. Was wir einmal in Händen halten, erfährt höhere persönliche Wertschätzung.
Gleichzeitig weckt schon der Anblick eines zielgruppenadäquaten, nützlichen Werbeartikels den Berührungs- und Besitzwunsch. Damit wird die Werbung selbst zum Objekt der Begierde – ein USP der haptischen Botschafter!
Sie zünden Aufmerksamkeit, stärken den Verständnisprozess und bleiben – abhängig von Qualität und Nutzen – dauerhaft in Gebrauch und Erinnerung. Last not least: von Werbeüberdruss keine Spur …
Vor diesem Hintergrund wird einmal mehr verständlich, warum Werbeartikel beliebter als abstrakte Kaufargumente und Werbebotschaften sind. Der Empfänger fühlt mit eigenen Händen, welche Qualitäten den Absender auszeichnen – schon unbewusst wird das Signal gegeben: glaubwürdig!
Von daher überrascht es auch kaum, wenn der jüngste Werbeartikel-Monitor des GWW (Gesamtverband der Werbeartikel Wirtschaft e.V.) den Werbeartikel in der Unternehmenskommunikation zum Kunden auf dem Spitzenplatz ausweist.
Für satte 45 Prozent der befragten Entscheider ist die gegenständliche Kommunikation im Kundendialog das beliebteste Werbemittel, gefolgt von der Online-Werbung mit 43 Prozent. Und selbst letztere setzt nur allzu gerne auf haptische Strategien, indem auch sie nicht ohne Werbemittel im Marketingmix auskommt.